Vor mehr als 100 Jahren …
Vor über 100 Jahren fand der “Startschuss” der Pfadfinderei auf der britischen Insel Brownsea Island statt: Robert Baden-Powell (BiPi), ein britischer Offizier, der gerade wegen seiner Rolle im Burenkrieg bei der Verteidigung der belagerten Stadt Mafeking Prominenz erlangt hatte, veranstaltete auf der Insel mit 22 Jungen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten ein gemeinsames Lager, bei dem erstmals die von ihm entwickelten Grundprinzipien der Pfadfinderei angewendet wurden.
Zeitgleich ließ er in dem Buch “Scouting for Boys” seine gesammelten Ideen zum Thema “Scouting” zusammenfassen und kompakt veröffentlichen. Daraufhin schlossen sich begeistert überall in England Jungen zu Pfadfindergruppen zusammen.
Ausschlaggebend für diesen Erfolg waren die seinerzeit recht ungewöhnlichen pädagogischen Methoden BiPis. Wandteman bis dato in der Erziehung eher autoritäre Formen an, ja, mussten Kinder letztlich gehorsame kleine Erwachsene sein, sagte er, dass
Jugendliche alt genug seien, um Verantwortung zu übernehmen. Mit einer gemeinsamen Kleidung sollten Unterschiede der Herkunft und der wirtschaftlichen Stellung der Familien gleichgültig werden – die Pfadfinder-Kluft entstand aus diesem Grunde und ist zwar den Kolonialarmee-Uniformen optisch entlehnt, aber keine Militäruniform, sondern lediglich ein Erkennungszeichen, eine Tracht.
Mit der Zeit gründeten sich weltweit Pfadfinderverbände, und nachdem BiPi zunächst mit seiner Pfadfinderei eher Jungs im Auge gehabt hatte, stellte sich bald heraus, dass auch Mädchen einbezogen werden wollten und konnten. Baden-Powell, mit bürgerlichem Name Robert Stephenson Smyth, wurde nach Beendigung seiner Karriere als Kolonialoffizier in Indien und Afrika für seine Verdienste
um die englische Jugend zum Lord of Gilwell geadelt. 1938 starb er mit 81 Jahren in Kenia, wo er auch begraben wurde. Eines seiner Vermächtnisse ist die Botschaft an “seine” Pfadfinderinnen und Pfadfinder weltweit: “Versucht, die Welt ein wenig besser zurückzulassen, als Ihr sie vorgefunden habt”.
Im damaligen Deutschland wurde die Idee recht bald von vielen jungen Menschen aufgegriffen. Der Kolonialtruppenarzt Alexander Lion hatte BiPi persönlich getroffen und von diesem den Auftrag übernommen, die Idee in Deutschland zu vertreten. Ein von Lion verfasstes “Pfadfinderbuch” war eine auf die zeitgenössischen Verhältnisse adaptiertes “Scouting für Boys”. Diese Bestrebungen fielen auf den Boden einer Jugend, aus der heraus sich sowieso gerade verschiedene Gruppen bildeten, die andere Formen des jugendlichen Lebens für sich formten und entwickelten. Aus dieser deutschen Jugendbewegung verbanden sich auch in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche Elemente mit der Strömung der Pfadfinderei. Somit entstand in Deutschland eine breit gefächerte, bunte Pfadfinderwelt zum Teil recht unterschiedlich verstandener Vorstellungen davon, was Pfadfinderei ist und will. Auch heute erkent man das an der großen Zahl verschiedener Pfadfindergruppen, -bünde und -verbände.
Letztlich missbrauchte dann die “Hitler-Jugend” der Nationalsozialisten viele der Erkenntnisse über die Bedürfnisse und Vorlieben junger Menschen aus der Jugendbewegung und Pfadfinderei für ihre Zwecke. Andere Jugendorganisationen und -gruppen waren letztlich in der Nazi-Diktatur verboten, lebten unter allerlei Gefahren nur im Untergrund durch einige Unverzagte weiter und konnten erst nach dem Krieg wieder neu mit Leben erfüllt werden. Einer der Motoren, der uns wegen der Verbundenheit von Familien und der Verortung in unserer Region besonders nahe steht, war sicherlich die Gruppe junger Pfadfinder um Häns Brog aus Heimbach-Weis, dem Gründer des Pfadfinder-Lagergeländes im Brexbachtal in Bendorf-Sayn. Die erste wieder gehisste Fahne nach der Befreiung durch US-Truppen soll das Georgsbanner der Pfadfinder am Kirchturm in Heimbach gewesen sein … Ihm wurde im Brexbachtal ein Denkmal gesetzt, vor dem wir bei jedem Besuch den Hut ziehen.
Nicht zuletzt deshalb stehen Pfadfinder auch eindeutig für den Einsatz gegen Hass und Diktatur.
Im Jahr 2007 haben wir gemeinsam mit vielen, vielen anderen Pfadfinderschwestern und -Brüdern unseres Bistums Trier mit einem gemeinsamen Lager und einem gemeinsamen Erleben des Sonnenaufganges über der alten Römer- und Bistumsstadt Trier den 100. Geburtstag der Pfadfinderei gefeiert.
Nun sind wir im zweiten Jahrhundert der Pfadfinderei. Und Pfadfinden ist kein bisschen weniger interessant als vor über 100 Jahren.
Scouting goes on!
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